Susanne Bilz
Stilikone Angela Merkel - und was wir von ihr lernen können
Jacky, Anna, Iris, Diana und… Angela. Was verbindet all diese außergewöhnlichen Frauen?
Mode als Bindeglied der ersten vier ist schnell gefunden:
Jacky Kennedy hat mit Pillbox und schmalen Kostümen den Staub aus dem mütterlichen Image der First Ladies geklopft
Die Chefin der amerikanischen Vogue Anna Wintour ist seit Jahrzehnten die unangefochtenen Autorität im Modebusiness.
Iris Apfel ist der lebende Beweis, dass Mode und Alter voneinander unabhängig sind
Und Princess Diana inspirierte mit ihrem Styling ganze Heerscharen von Designer weltweit.
All diese Frauen zeichnet ein ganz tiefes Verständnis für Mode, Stil und die Magie des passenden Outfits aus. Dennoch ist es abwegig, sie auf ihre modische Kleidung zu reduzieren. Mode dient/-e ihnen zur Inspiration aber sie ist/war der inneren Haltung, Persönlichkeit, Wertvorstellung und Kompetenz immer untergeordnet. Diese außergewöhnlichen Frauen sind Stilikonen im klassischen Sinn der Duden’schen Definition zum Begriff der Ikone - Person als Verkörperung bestimmter Werte, Vorstellungen, eines bestimmten Lebensgefühls o.ä. und genau deshalb lässt sich Angela Merkel hier nahtlos einreihen.
Als Angela Merkel auf der politischen Bühne sichtbar wurde, war es wie immer wenn Frauen ins Rampenlicht treten. Vor allem anderen werden Frisur und Outfit unter die Lupe genommen, und sie gab reichlich Grund zum Lästern. Legendär ihre Prinz-Eisenherz-Frisur und die seltsam langen Röcke, die sicherlich auch zu ihrem Titel als ‚Kohl’s Mädchen‘ beigetragen haben. Verwundert rieben sich alle die Augen als sie ihren Förderer hinter sich ließ, harte Konkurrenten aus dem Rennen schlug und Parteivorsitzende und später die erste Kanzlerin Deutschlands wurde.

Zu diesem Zeitpunkt war ihre Metamorphose bereits in vollem Gang. Die mädchenhafte Pagenfrisur war einem lockeren Haarschnitt gewichen und die erste Vereidung zur Kanzlerin absolvierte sie bereits in einer Jacke-Hose-Kombination, die ihrem zukünftigen ganz eigenen Kanzlerinnen-Look schon sehr ähnlich war. Sie selbst sagte, dass sie mit Mode nichts am Hut habe aber offensichtlich war sie klug genug, sich Rat zu suchen bei Experten, die über das nötige Feingefühl und das Gespür für Frau, Amt und Aufgaben verfügten.

So darf man ihren legendären Auftritt in Oslo anlässlich der Eröffnung der Oper in einer femininen, bodenlangen Robe im April 2008 sicher als Experiment der jungen Jahre verstehen. Sie sah in diesem eleganten Kleid wunderbar weiblich aus, allerdings war das Dekolleté (das ihr zweifelsfrei sehr gut stand) sehr tief und sie war mit diesem Auftritt augenblicklich auf den Titelseiten sämtlicher Medien, gleich welcher Couleur. Ob dieses Experiment in ihrem Sinne oder eher einem versehentlich zu tief angesetzten Schnitt des Schneiders zu verdanken war, wurde offiziell nie geklärt. Von da an jedoch war Merkel’s Stil gesetzt und ihre Garderobe schaffte es nur noch selten in den Boulevard oder gab Anlass zu Kritik.
Fortan bestand ihre ganz persönliche „Kanzlerinnen-Uniform“ aus Jacke und Hose und maximal einem kleinen, unaufgeregten Collier.
Ihr Styling wandelte den Anzug als klassisches Business-Outfit einfach ab und gab ihm einen ganz eigenen, unverwechselbaren Twist. Ihr gelang es damit in jeder Menschenmenge klar erkennbar zu sein, nie ging sie neben ihren männlichen Kollegen oder in der Gruppe unter und selbst wenn man nur ihre Silhouette sehen konnte, wusste man wer vor einem stand. Ihr Auftreten vermittelte zu jeder Zeit Verlässlichkeit, Vertrauen und das Gefühl, dass sie ihren Aufgaben gewachsen ist.

Was genau machte diesen ganz persönlichen Stil nun aus?
Zuallererst einmal löste sich Merkel‘s Styling vom klassischen Hosenanzug, der unter weiblichen Führungskräften oft das Mittel der Wahl ist.
Jacke und Hose sind beim klassischen Anzug immer aus dem gleichen Material in der gleichen Farbe gearbeitet und schließen vieles aus. Beispielsweise hat eine Hose aus dekorativem Wollstoff keinen Tragekomfort und nicht alle Farben taugen zum seriöser All-Over-Look.
Merkel’s Styling erweiterte durch diese Trennung die Möglichkeiten erheblich ohne dabei die grundlegenden Vorteile eines Hosenanzugs aufgeben zu müssen. Freie Wahl bei Farbe und Material der Oberteile, maximaler Komfort bei Unterteilen und Schuhen und immer eine Jackentasche um darin ein Handy verschwinden lassen zu können.
Im Detail konzentrierte sich ihre Garderobe auf einige wenige Bausteine:
Jacken und Blazer mit Revers oder ohne in unterschiedlichsten Farben und Qualitäten mit drei oder vier Knöpfen ( niemals andere Verschluss-Varianten ) in leichter Überlänge, immer geschlossen getragen, figurbetont aber nicht eng und stets mit guter Passform. Hin und wieder spitzte ein farblich abgestimmtes Shirt am Ausschnitt hervor, jedoch nie eine Bluse, ein Pulli oder ein buntes Tuch. Wichtiger Punkt dabei -Jacken auf die Merkel’sche Art geschlossen zu tragen hat den entscheidenden Vorteil, dass ein üppiges Staatsdinner keinerlei Anlass zur Sorge geben muss.
Hosen fast immer in Schwarz, sehr selten in einem hellen Grau, locker im Schnitt und meist in einer Länge und Fußweite, die die Schuhe verdeckt.
Schuhe nahezu immer mit flachen Sohlen und vermutlich in einer Passform, die auch lange Strecken zu Fuß erlaubt hätten.
Accessoires beschränkten sich auf kurze, schlichte Colliers meist farblich abgestimmt, mehr Kunsthandwerk und seltener Goldschmiede. Niemals Ringe, Armbänder oder Uhren.
Dass die Farbwahl bei den Oberteilen mit den jeweiligen Herausforderungen des politischen Alltags einer Staatsfrau korrelierten, darf vermutet werden, ist jedoch nicht erwiesen.
Merkel’s persönlicher Stil verzichtete auf viele Möglichkeiten, die der Werkzeugkasten einer weiblichen Garderobe bietet und durchaus anstrengend machen können. Keine Kleider, Röcke, Kostüme, unterschiedliche Rocklängen und Schmuck die unendliche Kombinationen ermöglichen und leider auch den ein oder anderen Fehlgriff verursachen können. Nichts was nach ausgedehnten Diät-und Sportprogrammen verlangen würde und keine Schuhe, die akrobatische Balanceübungen erforderlich gemacht hätten.
Der Gewinn liegt in maximalem Komfort, klarer Fokussierung und Souveränität in jeder Lebenslage.
Angela Merkel’s Abkehr von Trends und Mode hin zu einer klaren Auswahl an Kleidungsstücken, die dem eigenen, unaufgeregten Selbstverständnis entsprechen ist sicher kein allgemeingültiges Konzept. Es kann jedoch eine Inspiration für alle diejenigen sein, die große Verantwortung tragen und ihre Kräfte bündeln wollen.
Im Falle von Angela Merkel ging ihr Kleidungsstil eine außergewöhnliche Symbiose mit ihrer Persönlichkeit ein, machte sie unverwechselbar und hat sicherlich einen wichtigen Teil zu ihrer weltweiten Wertschätzung beigetragen. Für mich reiht sie sich damit nahtlos in die Reihe der Stilikonen ein.
Jacky, Anna, Iris, Diana und ja, Angela… Thank you for inspiring us!
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