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  • AutorenbildSusanne Bilz

Der eigene Stil – Wie wir Mode nachhaltiger konsumieren

Mode und Nachhaltigkeit, das scheint in der heutigen Zeit nahezu unvereinbar. Wie wir durch das Entwickeln unseres persönlichen Stils trotzdem bewusster konsumieren können –

ein Plädoyer.



Mode ist schon immer faszinierend und Kleidung Teil der menschlichen Kultur seit über tausenden von Jahren. Zunächst als Schutz vor Wetter und Widrigkeiten wurde sie bereits in der Antike zum Symbol für Status und Zugehörigkeit. Und nichts was das Altertum dem Mittelalter als Erbe hinterließ, behauptete sich so lange wie der antike Kleidungsstil mit der Tunika als Hauptelement. Als rituelle Tracht hat sie es sogar bis in die heutige Zeit geschafft. Und dennoch darf uns das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Modeindustrie einer der am wenigsten nachhaltigen Wirtschaftszweige ist.


Der Begriff „Mode“ wie wir ihn heute kennen, wurde erstmals zu Anfang des 17.Jahrhunderts mit dem Beginn der Herrschaft von Ludwig XIV. in Frankreich verwendet. Mit seiner Inthronisierung begann die Vorherrschaft des französischen Hofes in allen Fragen zu Luxus und Kleiderordnung und verbreitetet sich von dort über die westliche Hemisphäre. Es war das Ende eines bis dahin monotonen Kleidungsstils, der sich ausschließlich durch Langlebigkeit ausgezeichnet hatte. Ab sofort war Mode einem häufigen Wechsel unterworfen, glänzte mit immer neuen Ideen und setzte einen Wettlauf in Gang, dem selbst strengste Kleidervorschriften am Ende nichts entgegensetzen konnten.


Allerdings beschränkten sich die wechselnden Moden damals zunächst auf Materialien, Dekor und Accessoires. Die Silhouette als solche mit Korsett und langem Rock bei den Damen und Kniebundhosen bei den Herren blieb bis zum Ende des 19.Jahrhunderts fast unverändert. Zudem war der Zugang zu modischer Kleidung nur dem Adel und einer vermögenden Oberschicht möglich. Mit dem Aufkommen der ersten Couture-Häuser in Paris Anfang des 20.Jahrhunderts begannen sich immer mehr Konventionen aufzulösen und die Liberalisierung der Mode nahm Fahrt auf. Heute ist Mode jederzeit, für alle und überall verfügbar.


Ihre Faszination hat die Mode dabei aber nicht eingebüßt, vielmehr hat sie sich zu einem mächtigen, weltumspannenden Wirtschaftszweig entwickelt, der eben leider auch die entsprechenden Schattenseiten mit sich bringt. Als immer noch eine der lohnintensivsten Industrien nimmt sie miserable Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit in Kauf und belastet unsere Umwelt gleich doppelt. Die Produktionsverfahren verbrauchen enorme Ressourcen und Berge von Kleidungsstücken landen auf Müllhalden ohne dort jemals zu verrotten oder werden schlichtweg verbrannt.


Online-Händler sind mittlerweile in der Lage, neustes Trends innerhalb von Stunden in ihr Angebot aufzunehmen und lieferbar zu machen. Sie brauchen weder Ladenflächen in teuren Innenstadtlagen noch Verlaufspersonal und verpflichten inzwischen sogar Psychologen und Soziologen um uns mit Lockungen, Versprechen und psychologischen Tricks zu immer mehr Konsum zu verleiten. Der enormen Verführungskraft von kurzen Videoclips und Angeboten, die nach neuesten neuroökonomischen Erkenntnissen erstellt werden, haben wir wenig entgegenzusetzen und obwohl wir wissen, dass es zu viel ist, können wir am Ende doch nicht widerstehen uns noch ein Teil nach Hause zu bestellen. Und so stehen wir letztendlich vor übervollen Schränken und finden paradoxerweise oft trotzdem nichts Passendes zum Anziehen darin.


Aber wie entkommen wir diesem Teufelskreis? Nun, es gibt Bewegung Richtung Nachhaltigkeit auch in der Mode, sei es, dass große Ketten fair produzierte Capsule- Kollektionen anbieten oder sich kleinere Labels ganz auf Nachhaltigkeit spezialisieren. Allerdings gehen beide Konzepte meist zulasten der Vielfalt, die uns eigentlich ganz gut gefällt. Es gibt aber auch eine ganz andere Möglichkeit, sich dem Konsumzwang zu entziehen. Sie besteht darin, sich seines eigenen Stils bewusst zu werden und dabei den Sinn für Qualität und die Wertschätzung von Kleidung wieder zu schärfen.


Was bedeutet das eigentlich, den eigenen Stil zu finden? Zunächst einmal müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass die Modeindustrie uns als eine Art „Universal-Kleiderständer“ sieht. Designer orientieren sich am Zeitgeist, Produzenten am Preis und Marketing-Teams an der besten Verkaufspsychologie. Niemand denkt an die Kundin als Individuum, ihre Persönlichkeit, ihre Statur und ihre alltäglichen Herausforderungen. Stattdessen werden die Styles so dargestellt, als könne jede in allem gleich gut aussehen. Und darauf fallen wir seltsamerweise gerne herein.


Zudem ist uns der Sinn für Material und Qualität im Fast-Fashion-Rausch fast völlig verloren gegangen. Warum sonst tragen wir Kleidungsstücke nur ein einziges Mal, weil sie nach der Wäsche aus der Form gegangen sind oder ihre Farbe ausgeblichen ist. Die Tatsache, dass das Teil so günstig war, lässt uns diesen Verlust aber hinnehmen. Unser Gewissen beruhigen wir dann oft mit der Ausrede, dass am Ende sowieso alles auf den gleichen Bändern produziert wird.


Wir machen uns tagtäglich zwar sehr viele Gedanken über unsere Ausbildung, berufliches Vorankommen, Personal Branding und Sichtbarkeit, diese Reflektiertheit aber auf den passenden Kleidungsstil ausweiten, kommt uns oft nicht in den Sinn. Stattdessen sehen wir Shopping als Zeitvertreib, streichen stundenlang durch Geschäfte oder gönnen uns ein Schnäppchen im Netz wie ein Stück Schokolade nach einem stressigen Arbeitstag. All das führt zu den schon erwähnten überfüllten Kleiderschränken in denen nichts Gescheites drin ist und nicht selten zu Frust und schlechtem Gewissen. Wer kennt nicht das Gefühl, bei einem wichtigen Termin womöglich im falschen Outfit zu stecken?


Begegnen können wir diesen Entwicklungen mit erhöhter Bewusstheit. Wir müssen darüber nachdenken, was wir können, was wir wollen, worin unsere Ziele liegen um dann herauszufinden, in welchen Kleidungsstücken wir diese verwirklichen können und uns dabei auch noch wohl fühlen. Was unterstreicht meine Persönlichkeit und was taugt mir wirklich? Was verlangt mein Job, mein Alltag, mein Wohlbefinden? Welches Material trage ich am liebsten, was schmeichelt meiner Haut, meiner Figur? Was übersteht Wäsche und Reinigung ohne Schaden zu nehmen? Wieviel Zeit kann ich für all das aufwenden? Was ist es mir Wert?


So entsteht ein persönliches Profil und zusammen mit Kenntnissen zu Materialeigenschaften und -eigenheiten ergibt sich die Basis für den eigenen Stil und die dazu passende Garderobe. Dabei wird es unter Umständen sehr viel leichter, den vielfältigen Angeboten zu widerstehen und trotzdem das Passende im Schrank zu haben. Qualität geht damit eindeutig über Quantität. Wie bei allen Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein wird es auch in der Mode bei jedem Einzelnen anfangen. Alle Appelle, Regulierungen und Versuche, die Modeindustrie zu reglementieren werden letztendlich scheitern, wenn nicht jede für sich bereit ist, ihr Verhalten zu überdenken und zu verändern.


Wir können beides haben. Wir können sehr gut UND nachhaltig gekleidet sein. Denn: Mode ist wie eine riesige Kiste mit immer neuen Werkzeugen. Dein persönlicher Stil lässt Dich diejenigen Werkzeuge auswählen, die Dir Sicherheit und Souveränität garantieren. Weniger ist dann sehr viel mehr!

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