Susanne Bilz
Business Look - Dresscodes und Kleidervorschriften

Kürzlich machte eine junge Frau auf LinkedIn ihrem Unmut über die Kleiderordnung an ihrem Arbeitsplatz Luft. Ein Foto zeigte sie in dunklem Blazer und weißer Bluse und ihre Miene drückte eindeutiges Missfallen aus.
Ihre Argumentation war durchgängig und nachvollziehbar und sie plädierte für „come as you are“, weil Äußeres schließlich nichts mit Kompetenz zu tun habe.
Das ist im Grunde nicht falsch aber meiner Meinung nach wird es der Komplexität des Themas nicht gerecht und es polarisiert zu sehr.
Der Post wurde sehr intensiv kommentiert, erwartungsgemäß von Frauen, aber auch von vielen Männern, und es juckte mir in den Fingern ebenfalls einen Kommentar abzugeben.
Wie immer bei sehr viel Pro & Contra bleiben die Diskussionen an der Oberfläche und wir kommen weder an den Kern des Problems noch zu einer Lösung. Jeder kann sich gut in seiner Bubble einrichten und bleibt dann auch dort.
Mit unserer Kleidung hat es jedoch weit mehr auf sich, als nur den Schutz vor Wind und Wetter.
Mein Lieblingszitat von Paul Watzlawick bringt das sehr gut auf den Punkt. Er sagte „Wir können nicht nicht kommunizieren“, d.h. sobald wir uns nach außen hin sichtbar machen, kommunizieren wir mit unserer Umwelt, noch bevor wir irgendetwas gesagt haben.
Wir Menschen sind visuelle Wesen und Regionen unseres Gehirns erfassen und kategorisieren das Gesehene noch bevor uns das bewusst wird. Nur wenn wir blind wären, müssten wir uns auf andere Sinne verlassen.
Zudem leben wir in einer Gesellschaft, die ständig nach Bewertungen, Maßstäben, Normen und Zugehörigkeit strebt und trotz aller Bemühungen sind bis heute weder Gleichstellung noch Diversität fest verankert. Aber nur in einer Gesellschaft, in der alle gleich sind, wäre „come as you are“ möglich, alles andere ist Illusion.
Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Kleiderordnung zu sehen, der die junge Frau unterliegt. Die Kleidervorschrift ihres Arbeitgebers, und es scheint ein Beratungsunternehmen zu sein, entspricht eigentlich der einer Uniform, vergleichbar mit Luftfahrtgesellschaften oder Fast-Food-Ketten. Sie wird zwar sicher nicht vom Arbeitgeber gestellt und ist nicht gänzlich bis ins Detail festgelegt, aber sie erfüllt den gleichen Zweck.
Der Kern eines Dresscodes liegt nämlich nicht darin, dass die Mitarbeiter gegängelt werden sollen, vielmehr versucht ein Unternehmen oder eine Organisation mit dessen Hilfe die Kontrolle über die Außenwirkung zu behalten und damit ist es ein Teil der CI. Er gilt fast immer in Unternehmen und Organisationen, deren MitarbeiterInnen ständige Berührungspunkte mit der Außenwelt haben.
Denn stellen wir uns mal vor, ein Konzern vergibt einen Beratungsauftrag an eine der Big4 und die BeraterInnen kämen in ihrem ‚come-as-you-are-look“. Womöglich kämen sie in Hoodies, Baggy Pants, buntem Sommerkleid, Bermudas und T-Shirt , Sportsandalen, Crocs, was auch immer. Wie wäre wohl die Wirkung dieser bunten Truppe auf die MitarbeiterInnen des Konzerns wenn BeraterInnen seitens der Belegschaft schon von Grund auf kritisch beäugt werden?
Im Fall der jungen Mitarbeiterin schein der Dresscode auch die eins zu eins Übersetzung aus ‚dunkler Anzug, helles Hemd‘ für die Herren zu sein und dieser sogar mit psychologisch erwiesenem Hintergrund. Dunkle Kleidung, insbesondere der dunkle Anzug wird mit Kompetenz, Ernsthaftigkeit und Seriosität assoziiert, mit dem hellen Hemd gesellt sich das Vertrauen hinzu. Ein Unternehmen gibt seinen Mitarbeiterinnen mit einem solchen Dresscode also eine Art ‚Schutzschild vor Missverständnissen‘ mit auf den Weg. Leider wird bei der Übersetzungen meist die weibliche Proportion und die Vielfalt der Möglichkeiten außer Acht gelassen. Dahinter steckt jedoch weniger diskriminierende Absicht als und wie so oft einfache Gedankenlosigkeit oder Desinteresse.
Unternehmen, die einen solchen Dresscode haben, machen daraus auch selten ein Geheimnis und die Kleidervorschrift ist nichts, was den neuen MitarbeiterInnen erst im Nachgang und völlig überraschend übergestülpt wird.
Wann immer ich mich also für einen Job oder Unternehmen entscheide, weiß ich um eventuelle Kleidervorschriften und sie sind ein Teil des Deals. Und wenn ich im Gegenzug weiß, dass ich mir mit diesen Vorschriften absolut schwer tun werde, dann ist es vielleicht grundsätzlich nicht der passende Job.
Wenn ich den Job trotzdem gut finde und er mir Spaß macht, dann ist das Aufregen über den Dresscode eigentlich reine Energieverschwendung. Dann versuche ich viel eher, die Vorschriften in meinem Sinne zu „dehnen“. Vielleicht muss es gar nicht die Bluse sein, sondern es geht auch ein kleiner Pulli oder überhaupt ist nur der Blazer vorgeschrieben. Ich könnte ihn also geschlossen und nur mit einem Top darunter tragen oder vielleicht darf es auch eine Art Blazermantel über einem Kleid sein. Es gibt ganz sicher Spielräume und diese geschickt zu nutzen kann ein sehr spannendes Experiment sein. Kleine Veränderungen in starren Systemen können nämlich eine ungleich größere Wirkung erzielen, als das in freieren Strukturen möglich wäre.
Und falls ich überzeugt wäre, dass das Unternehmen zwar super ist und der Dresscode lediglich ein Relikt aus alten Zeiten, dann gibt es vielleicht eine Interessenvertretung für Frauen, den Betriebsrat oder ähnliches und ich beginne dort die Vorschriften zur Sprache zu bringen und Veränderungen vorzuschlagen.
Und wenn alle Stricke reißen, dann kaufe ich mir einen Satz Blusen, die nicht gebügelt werden müssen.
Alles andere ist Zeitverschwendung.